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Wanderreportagen ABO

Vergessene und versteckte Orte

Schon unter den Römern war das Misox GR ein gut überwachter Verkehrskorridor. Doch anstatt hindurchzueilen, lohnt ein Innehalten, und man entdeckt geheimnisumwitterte Plätze. In Roveredo unterwegs mit einem lokalen Mittelalterexperten.
28.02.2025 • Text und Bilder: Iris Kürschner
Am Eingang des Val Traversagna liegt verträumt die Kirche Sant’ Anna, die einen der bedeutendsten Barockschätze des Misox birgt.
Auf historischen Spuren durchs Misox
Roveredo GR, Centro — Grono, Paese • GR

Auf historischen Spuren durchs Misox

Von der Postautohaltestelle Roveredo, Centro biegt man in Fahrtrichtung nach der Unterführung rechts ab, und schon steht man mitten auf einer grünen Schneise, wo einst die Autobahn durch das Dorf führte. Rechts des Hotels Stazione führt das Strässchen Scalinàda di Scòl den Hang hinauf, vorbei an der Schule und aussichtsreich zum Ortsteil San Fedee, wo sich das Hotel Santana einen sehr schönen Platz ausgesucht hat. Gleich gegenüber befindet sich eine verträumte Kastanienselve mit Ruhebänken und Flanierweg sowie das Grotto Zendralli. Wenig oberhalb führt links die Gardelina in nur wenigen Schritten zur Wallfahrtskirche Sant’Anna – mit ihren zwei Steinbogenbrücken und dem früheren Pilgerhaus ein fotogenes Motiv am Eingang des schluchtartigen Val Traversagna. Ist man an der Kirche vorbei, hält man sich bei der nächsten Weggabelung rechts und folgt den Wegschildern Richtung Torre Boggiano. Zuerst geht es durch eine Kastanienselve, dann im Wald immer steiler bergwärts. Anwohner der oberen Rustici haben den Weg asphaltiert, und es können einem öfters auch Velofahrerinnen begegnen. Beim Hinweisschild «Torre di Bogian» biegt man links in den Pfad, der zur grossen Lichtung mit der Turmruine führt. Es bietet sich ein fantastisches Panorama über das ganze Misox und zur Tessiner Riviera. Nur ein kurzes Stück wandert man zur letzten Weggabelung zurück und folgt dem Höhenweg noch etwas talein, um dann wieder auf der Hauptroute abzusteigen. Beim Parkplatz oberhalb der Wallfahrtskirche nimmt man den Wanderweg rechts, passiert bald das wildromantisch gelegene Grotto Gardelina und erreicht bei Provée die Moesa. Nun immer am Fluss entlang nordostwärts. Bald geht es unter der Autobahn hindurch. Doch das berührt die schöne Flusslandschaft kaum. Kurz klettert der Pfad den Hang hinauf zu ein paar versteckten Hütten, dann führt er wieder hinunter zum Fluss. Am Stromverteiler vorbei folgt man schliesslich einem Fahrsträsschen durch weite Wiesen zur Brücke über die Moesa und ins Dorf Grono.

zum Wandervorschlag

Ein grünes Band durchläuft den Ort. Noch bis 2017 war es ein graues, denn Roveredo war lange Jahre von der Autobahn zweigeteilt. «Das war damals fast wie Ost- und West-Berlin», sagt Gionata Pieracci, Historiker aus Roveredo, der Hauptstadt des Misox, einem der wenigen italienischsprachigen Teile Graubündens, und hautnah an der Grenze zum Tessin gelegen. Die wichtige Transitroute über den San-Bernardino-Pass umgeht Roveredo nun durch einen Tunnel. Umso mehr ein Grund, genauer hinzuschauen und herauszufinden, ob hier spannende Geschichten lauern. Gionata könnte ganze Bücher mit ihnen füllen. Er teilt sein Wissen gerne mit: einerseits als Geschichts- und Geografielehrer, andererseits lehrt er nebenbei noch in einem didaktischen Schulgarten und schreibt für Publikationen über das Kulturerbe. Auch für die Infotafeln, die den Radweg entlang der ehemaligen Bahntrassee säumen, verfasste er die Texte. Bis 1972 konnte man nämlich mit dem Zug nach Roveredo reisen. Doch dann entschieden sich die Strassenplaner für eine Autobahn als wintersichere Nord-Süd-Verbindung, und die Misoxer Bahn wurde eingestellt.

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