Gratwandern mit Höhenangst

Img_5118
02.10.2018 • veraalpina

Gratwandern mit Höhenangst

Ich gebe es nicht gerne zu: ich arbeite bei den Schweizer Wanderwegen und leide manchmal unter Höhenangst und/oder Schwindel. Auf den Gipfel? Kommt darauf an, wie viel Platz es oben hat. Suonenwanderung? Mmm…uss das sein? Im Sessellift hinunterfahren? Nur total verkrampft und mit geschlossenen Augen. Nun könnte ich es so belassen und halt einfach die exponierten Wanderungen meiden. Aber das lässt meine Lebenseinstellung leider nicht zu. Und nun zwinge ich mich auf jeden Turm (ich *hasse* Türme), der mir so begegnet. Die ersten paar Male habe ich gelitten; weiche Knie, nasse Hände, flauer Magen, Schwindel. Mit jedem Schritt nach oben scheinen diese Bauten zu schwanken. Es REICHT. Jetzt habe ich gelernt, mich abzulenken; in den Ästen nach Vogelnestern zu suchen, tief zu atmen und an den schönen Ausblick zuoberst zu denken. Jedes Mal, wenn ich wieder einen Turm besteige, komme ich schneller nach oben. Jedes Mal geht es ein bisschen leichter.

Was denn zum Üben gut sei, erkundigte ich mich bei Urs Wallimann von den Obwalnder Wanderwegen. Er gab mir zum Wegtrainieren meiner Angst die Route an, die im Magazin WANDERN.CH 3/2018 beschrieben ist: vom Eigental auf den Pilatus. Mit vielen exponierten Stellen und über einen Grat. Alles klar. Die Wanderung meisterten wir eigentlich ganz gut. Da mein Hund vom anfänglichen Militärgeknalle (oder: Schiessübungen) so durch den Wind war, war ich zu abgelenkt, um an die Höhe und den Schwindel zu denken. Auch die steilen Passagen meisterten wir. Also zusammen mit Elsbeth, der Journalistin und Raja, der Fotografin ging das schon mal ganz gut. Nun die Probe aufs Exempel: alleine.

 

 

 

 

Letzte Woche wanderten der Alpinchihuahua und ich also auf dem Gratweg zwischen dem Klingenstock und dem Fronalpstock SZ. Er ist ausgesetzt und es geht teilweise sehr steil das „Loch ab“. Was mir vor ein paar Jahren noch Magenschmerzen bereitete, ging dieses Mal fast wie von alleine. Etwa in der Mitte der Strecke steht eine Sitzbank mit Tisch auf einem kleinen Plateau. 2014 konnte ich diese nicht einmal anschauen, ohne dass mir schlecht wurde. Diesmal marschierten wir schnurstracks darauf zu und hielten obendrein noch zum Picknicken an – und genossen es.

 

Ich hatte einfach keine Angst mehr! Die ganze Wanderung verlief komplett schwindelfrei. Wow. Ob das auch auf der Rückfahrt vom Fronalpstock mit dem Sessellift auch angstfrei gehen würde?

Der Alpinchihuahua machte seinem Ruf und Namen wieder einmal alle Ehre und bewies sich topfit und enthusiastisch – endlich wieder einmal in den Bergen spazieren! Das letzte Stück auf den Fronalpstock zog er mich fast hoch; ich konnte ihm kaum folgen. Sogar einen Trailrunner holten wir ein.

Auf dem Gipfel gab es dann für den Hund Futter und ein Schläfchen und für mich Älplermagronen, als Belohnung für die angstfreie Wanderung oder als Stärkung für die anschliessende Sesselliftfahrt. Diese überstand ich mit offenen Augen und ziemlich entspannt. Ein einziges Mal stach es mir in den Magen: als die Bahn kurz anhielt. Und zwar genau dann, als unser Sessel auf dem höchsten Punkt war und ziemlich stark hin und her schwang. Aber dann blickte ich auf meinen dösenden Chihuahua im Rucksack, dem das alles nichts ausmachte. Also beschloss ich, dass es mir gleich geht. Und es ging.

Mit kleinen Schritten ist viel zu erreichen. Ich möchte es allen ans Herz legen: kein Stress und einfach weiter üben, irgendwann geht es von alleine.

Vera Alpina

Mehr Infos

Kommentare

Noch keine Kommentare

Artikel wurde dem Warenkorb hinzugefügt.