Lieber Käse und Brot als T-Bone Steak
Mein Vater und ich sehen uns leider nicht so oft, wie wir uns das wünschen. Aber eines lassen wir uns nicht nehmen: eine Vater-Tochter-Wanderung pro Jahr muss drin liegen.
Diese führte uns in unsere Heimat, auf die Spuren unserer Vorfahren. Der alte Verbindungsweg zwischen Saas-Almagell im Wallis und Macugnaga in Italien hatte es uns angetan. Anfangs Oktober fährt die Seilbahn nach Macugnaga nur noch am Wochenende. Es war Donnerstag. «Macht doch nichts, wir wandern einfach hinunter», einigten wir uns. Es läge uns im Blut. Severin, der Vater meines Papas, war seinerzeit Säumer und so schien es, als wanderte er (und sein Maultier) im Geiste mit uns mit.
Irgendwann in den 1980er Jahren stand für meine Eltern eine Reise in die USA an. Weil sie aber schwanger war, entschloss sich meine Mutter, die Reise doch nicht anzutreten und mein Vater stand kurz davor, alles abzusagen. Aber ganz leise und fast schüchtern meldete sich mein Opa und meinte, er könne doch mit. So wurde der Trip zur Vater-Sohn-Reise und die liebste Geschichte meines Vaters möchte ich hier wiedergeben:
«Wir hatten ein Auto gemietet und fuhren quer durch die Staaten, Las Vegas, San Diego, Washington, sogar bis nach Texas. Ich freute mich jeden Tag auf das riesige US-T-Bone-Steak zum Abendessen. Nach ein paar Tagen meinte dein Opa: ‚Weisst du was, eigentlich mag ich dieses Fleisch gar nicht so gerne.‘ und ich fiel aus allen Wolken, da ich dachte, er würde die Steaks genau so lieben wie ich. Ich fragte ihn, was er denn lieber essen würde, worauf er nur meinte: ‚Picknick.‘ Von da an gingen wir jeden Tag in den Supermarkt, kauften Käse, Fleisch und Brot und assen unter freiem Himmel und dein Opa war glücklich.»
Bei der Picknickpause auf dem Tällibodu packte mein Vater Roggenbrot, Trockenfleisch, Alpkäse und Wurst sowie eine Aprikosentorte aus dem Rucksack. So sassen wir auf der Ebene und genossen Gaumen- und Augenschmaus auf die Walliser Bergwelt und den mittlerweile fernen blauen Stausee. «Weisst du, für mich ist das Einfache eben immer noch das Beste», meinte Vater und ich stimmte ihm zu. Kein Apfel fällt eben weit vom Stamm.
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