Weshalb Wandern das bessere Jogging ist

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20.01.2021 • Wanderpapa

Weshalb Wandern das bessere Jogging ist

Eigentlich wollte ich den Lockdown mit Jogging beginnen. Ich hasse joggen, es ist sooo langweilig, aber es ist halt einfach umzusetzen, es tut gut – und deshalb mach ich es auch ab und zu. Um mich zu motivieren, stellte ich mir am Vorabend auf der Karte eine neue Route zusammen. Eine wunderbare Strecke: Vom Sunnig Landorf über die Cheiserlimatt zum Stieremoos, dann durchs Herrehölzli, nach Herzwil und durchs Hilfigwäldchen, weiter zur Tubetränki, am Stärn vorbei zum Pfaffesteig. Welch schöne Ortsnamen es gibt! Ich habe mich sogar etwas auf diese neue Joggingstrecke gefreut, ich gebe es zu.

Viel zu sehen

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    Ein Weiher beim Stieremoos – bis hier habe ich schon geschätzte 50 Mal das Jogging unterbrochen.

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    Das Stieremoos. Fantasievoll tönt der Flurname, aber es ist einfach ein Feld.

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    Steil und steinig geht es hinauf ins Herrehölzli.

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    Herzwil ist lieblich gelegen – nicht weit von Liebewil entfernt.

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    Ein Baum mit Hörnern wie ein Stier unweit von Herzwil.

    Motiviert laufe ich los, in Joggingkluft und meinen Trekkingschuhen. Auf der Cheiserlimatt weiden Schafe, etwas später Pferde. Dann eröffnet sich mir das Panorama auf Ulmizerturm, Gurtenturm, Bantigerturm, zu deren Füssen die Stadt Bern. Ich muss alles fotografieren und dokumentieren, schliesslich könnte diese Route ja künftig eine Wanderung sein für meine Kinder. Kurz vor Stieremoos steht vor einem Industriegebäude eine alte Dampfwalze. Dann sehe ich einen hübschen, vereisten Weiher, dürres Schilf schaut aus dem Eis. Das Stieremoos entpuppt sich als simples Feld, Sonnenstrahlen fallen auf den schneebedeckten Boden, grosse Wolken ziehen am blauen Himmel vorbei. Bereits zum x-ten Mal halte ich an, schaue mich um, fotografiere das eine oder andere. Ich zweige ab auf den Weg hinauf aufs Herrehölzli, der Weg ist steinig, steil und eisig-rutschig. Dem Eis dankbar, höre mit Joggen auf. Und geniesse es, während des Aufstiegs die Umgebung ausgiebig zu betrachten. Dazu hat man beim Joggen einfach keine Zeit! Nicht, dass das Herrehölzli irgendwie herrschaftlich wäre, es ist nur ein kleines Wäldchen. Aber ein lauschiges, denke ich mir, und beginne widerstrebend wieder zu joggen. Die Sonne reisst nun definitiv den Himmel auf, ich möchte die Wolken beobachten, muss aber gut auf den Weg schauen, damit ich nicht ausrutsche und im Dreck lande. Ich laufe an einem toten Baum vorbei, dessen zwei abgestorbene Arme in den Himmel ragen, als gehörten sie einem Stier. Ich habe genug. Und beschliesse, dass ich ab sofort wandere. Auch wenn ich dafür natürlich zu wenig warm angezogen bin, wie ich bald feststellen muss. Und deshalb doch immer wieder jogge.

    Auf der Flucht

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      Gemütlich wandern statt joggen, so ist gut.

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      Im Hilfigwäldchen wird das Holz geschützt.

      Herzwil ist ein kleiner Bauernweiler, der auch Hübschwil heissen könnte. Einige schottische Galloway-Rinder nehmen panisch reissaus, als ich an ihrer Weide vorbeigehe – wie wären die nur erschreckt, wäre ich gejoggt? Etwas später im Hilfigwäldchen sind Baumstämme mit einer Blache gedeckt wie mit einem Mäntelchen, das Tommy Hilfiger nicht schöner hätte drapieren können. Warum das Wäldchen nach einem Modedesigner benannt wurde? Oder wars umgekehrt, und der Tommy hat hier seine Heimat? Jetzt gehts bergab, ich laufe runter, doch mein Blick bleibt immer wieder an einem Baum, einer Szenerie, einem Schneewalm hängen, mein Kopf dreht sich nach hinten und ich fühle mich, als würde ich vor jemandem fliehen, müsste mich vergewissern, dass er mir nicht folgte. Ich halte an und wandere weiter. 

      Beatles und andere Pfaffen

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        Bei der Tubetränki treffe ich auf die Beatles. Eine schöne Überraschung.

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        Da, ein Licht am Ende der langweiligen Joggingstrecke! Hoffnung im Könizbergwald.

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        Der Pfaffensteig hinunter nach Bümpliz.

        Jetzt trete ich in den Könizbergwald ein, mein gewohntes Lockdown-Joggingrevier. Kurz vor der Tubetränki treffe ich auf die Beatles, die auf der Hinterseite eines gelben Wanderwegweisers die Abbey Road überqueren. Aus der Tubetränki könnte ich nun meinen Joggingdurst löschen, doch das Wasser des Brunnens macht mich nicht an. Ich biege ein auf einen steckengeraden Weg, langweilig, breit, weit vorne scheint die Sonne durch den Wald und fällt auf die Strasse einer Erleuchtung gleich. Ein himmlisches Zeichen, dass bald der Pfaffesteig erreicht ist. Dort führt ein steiler Weg hinunter nach Bümpliz, über Autobahn und Zuggleis, hin zur St. Antonius-Kirche. Ist aber keine Option für mich, ich fühle mich nicht aufgelegt zum Predigen, also kehre ich um Richtung Köniz, Richtung trautem Heim, zurück in den Lockdown.

        Wanderpapa

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