Eltern, bitte nicht lesen! Die Wahrheit über Sonntagsspaziergänge
Ob Auffahrt, Pfingsten oder stinknormale Sonntage, der Ruf des Spaziergangs wird laut – und er wird allzu oft erhört. Erwachsene haben manchmal komische Ideen: Warum nur soll ein klassischer Sonntagsspaziergang den Kindern Freude machen?
Über Auffahrt waren wir auf dem gefühlt langweiligsten Familienwanderweg wos gits. Auf dem Weg, der auf die St. Petersinsel führt. Das Heideweg genannte Kiessträsschen verläuft erst über drei Kilometer schnurgerade auf die Halbinsel (die nur bis zur Juragewässerkorrektion eine Insel war, aber heute immer noch als ebensolche benannt wird). Als wir bei Kilometer 3 also das Chüngeliinsel genannte Wäldchen erreichten, musste ich meine Kinder fast vorwarnen: «Achtung, da kommen eineinhalb Kurven, dass ihr sie nur ja nicht verfehlt!». Danach ging es wieder geradeaus, staubig und heiss, bevor bei Punkt 433 das eigentliche Pièce de résistance kam: der Aufstieg zum ehemaligen Kloster und heutigen Restaurant. Nun, auch diese paar Meter meisterten wir erfolgreich, bevor wir unsere Picknickdecke am Ufer des Bielersees ausbreiteten.
Aber die Landschaft dort ist doch wunderschön, werdet ihr jetzt denken. Und habt natürlich recht. Nur interessiert das die Kinder nicht. Bei ihnen zählen nur abwechslungsreiche Wege, Abenteuer und Gummibärchen. Oder auch noch der Cervelat.
Backflash eigene Kindheit
Auf dem Heideweg erinnerte ich mich augenblicklich an meine Kindheit (siehe «Galerie des Grauens» weiter unten). Zu oft musste ich mit meinen Eltern mitgehen, wenn sie sich mit ihren Freunden wieder einmal für einen «Sonntagsgwaggu» verabredet hatten. Die Auffahrt war jedes Jahr und ohne Ausnahme gebucht. In den jeweiligen Ausflugsrestaurants interessierten mich vor allem die Desserts, manchmal noch der Spielplatz. Aber immer diese stundenlangen Spaziergänge im Schlendermodus, meist mit irgendeinem alten Denkmal als Ziel («mit fantastischer Aussicht, jitz lueg ou mau, mi Sohn!»), danach stundenlange Erwachsenengespräche in der Beiz – mir war es stinklangweilig! Ein Wunder fast, dass ich heute bei den Schweizer Wanderwegen arbeite.
Zurück auf die St. Petersinsel. Nach dem Picknick kam dann die Rückkehr – klassisch und megaattraktiv über denselben Weg wie der Hinweg. Denn ein Sonntagsspaziergang ist ja in seiner Definition so angelegt, dass man mit dem Auto auf einen grossen Parkplatz fährt und von dort aus loszieht. Also muss man wieder an den Ausgangspunkt zurückkehren, ist ja logisch und einmal mehr stinklangweilig. Während also die Erwachsenen auf dem breiten, flachen Weg vorzüglich miteinander über Gott und die Welt diskutieren und philosophieren, oder auch nur tiefzufrieden mit sich selbst und der netten Natur um sie herum spazieren, quengelt die Jungmannschaft heutzutage hoffentlich gehörig und stört das idyllische Bild. Nicht so wie wir braven Kinder damals, die halt einfach mitgegangen sind.
Kinder, wehrt euch!
Also, liebe Eltern (und ja, auch Grosseltern!): Vergesst den Spaziergang, wenn ihr Familie habt. Kramt ihn meinetwegen wieder hervor, wenn die Kinder flügge sind und ihre eigenen Wege gehen.
Schliesslich darf ich noch anfügen, dass unser Auffahrtsausflug auf die St.-Petersinsel von unseren Kindern durchaus als gelungen taxiert worden ist. Aber ach ja, ich vergass ganz zu sagen, dass wir mit dem Velo unterwegs waren.
Wandergalerie des Grauens
Vielfältige Tipps fürs kreative Wandern
Man soll nicht immer stänkern. Heute ist das neue Kiludo-Onlinemagazin erschienen mit supervielen schönen Tipps, wie man mit Kindern gekonnt wandert. Vom Wiesenschmuck über den selbstgebastelten Wanderstock und die aussergewöhnlichen Steckenbrotteige bis zur Marshmallow-Birne aus dem Feuer finden sich darin zahlreiche witzige Ideen. Reinschauen lohnt sich.
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