«Hunde sind keine Langstreckenläufer. Das geht oft vergessen.»
Bald ist wieder richtig Winterwanderzeit! Auf dieses Erlebnis freue ich mich jeweils sehr: dick eingepackt im Schneegestöber durch die Landschaft stapfend die Natur in ihrem Winterkleid betrachten und danach zurück in die Wärme zu einer Tasse Tee… Ah, Hammer! Mein Hund findet Winterwandern nur gut, wenn er dick genug eingepackt ist. Sein Lieblingsmantel hat eine Daunenfüllung! Kein Wunder, denn er kommt ja ursprünglich aus der mexikanischen Wüste. Manchmal will er gar nicht mehr weiterwandern und dann packe ich ihn in den Rucksack.
Wie geht es aber meinem Hund dabei? Was muss ich beachten, damit ihm das Winterwandern auch solchen Spass macht wie mir? Was soll ich für ihn mitnehmen? Wie ist es mit anderen Hunden mit dichterem Fell? Brauchen diese keinen Mantel?
Ich habe mich für meine nächsten drei Blogbeiträge an Hundeexpertinnen und -experten für Verhalten, Nahrung sowie Ausrüstung gewandt und sie gebeten, uns allen ein paar Tipps zum Winterwandern mit Hund zu geben.
Den Anfang macht Marlen Brandenberg. Sie ist seit 2009 als Hundetrainerin und seit 2014 hauptberuflich als Verhaltensberaterin mit Spezialisierung auf Hunde mit «Problemverhalten» tätig. Marlen wohnt zusammen mit der elfjährigen Chihuahua-Hündin Ella und der fünfjährigen Akita-Hündin Miyuki in Hüntwangen ZH. www.tschigi-school.ch
Liebe Marlen, danke dass du dir Zeit nimmst fürs Thema Winterwandern mit Hund. Was gibt es dabei zunächst zu beachten?
Als Erstes ist es wichtig zu wissen, mit was für einem Hund man es zu tun hat. Wie gross ist er? Wozu wurde er gezüchtet? Nicht jeder Hund mag Kälte. Meine Chihuahua-Hündin zum Beispiel ist viel lieber im Sommer unterwegs, findet Schnee sehr uncool und mag Mäntelchen gar nicht. Mit ihr auf Schneewanderungen zu gehen, wäre kontraproduktiv. Meine Akita-Hündin hingegen liebt den Winter über alles. Sie mag es viel lieber, im Schnee unterwegs zu sein als im Sommer zum Abkühlen im Wald. Was man sich also grundsätzlich fragen muss: Mag mein Hund überhaupt in der Kälte gehen? Das ist das A und O! Gegen den Hund zu arbeiten oder ihn einfach mitzunehmen, macht weder dem Menschen noch dem Hund Spass.
Wie lange kann denn ein Hund im Schnee gehen?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Die Dauer einer Winterwanderung mit Hund ist wieder von dessen Persönlichkeit oder Rasse, aber auch von der Temperatur abhängig. Ich würde davon abraten, Winterwanderungen von über zwei Stunden ohne grosse Pause mit dem Hund zu planen. Mit meiner nordischen Hündin bin ich so anderthalb Stunden im Schnee unterwegs. Dann mache ich Pause. Das ist wichtig, weil ich auch noch beachten muss, dass sie nicht durch die ungewohnte Umwelt reizüberflutet wird. Wenn man einen Hund hat, der gerne im Schnee unterwegs und z.B. auch noch Jagdhund ist, kommen diverse Komponenten dazu. Je nachdem, wo man sich befindet, geht es nicht nur um den Schnee, sondern auch um die Umgebung an sich: die Reize, vielleicht Spuren von Wild im Schnee… Diese erfordern auch viel Energie des Hundes, nicht nur das Gehen an sich.
Kann ich einen Hund mit auf eine Schneeschuhtour (auf unpräpariertem Boden) nehmen, oder soll ich mit ihm auf einem präparierten Winterwanderweg bleiben?
Ich empfehle präparierte Wege, weil Tiefschnee wirklich sehr anstrengend für den Hund ist. Mit meinem Hund war ich auch schon auf unpräparierten Strecken unterwegs. Das war deutlich schwieriger, weil Miyuki immer – teilweise bis zum Bauch – eingesunken ist. Wir kamen nur sehr langsam voran. Je nach Gewicht sinkt ein Hund tief ein, was sehr unangenehm für ihn ist. Daher ist es sinnvoll, wenn diese Wanderungen eher kurz bleiben. 30 Minuten Tiefschnee sind schon eine grosse Herausforderung.
Und es macht für einen Hund je bereits einen ziemlichen Unterschied, ob er auf Schnee oder schneefreiem Boden geht.
Ja, das macht es! Für die Haptik an den Füssen spielt zum Beispiel die Schneebeschaffenheit eine Rolle: Ist er frisch, gefroren oder matschig? Ist der Schnee gefroren oder liegt Eis darunter, können Hunde ausrutschen. Das ist daran zu erkennen, dass sie unsicherer gehen oder ausweichen wollen. Das sollte man unbedingt zulassen! Der Hund soll an der langen Leine seinen eigenen Weg aussuchen können, auf dem er am trittsichersten ist. Ein weiterer Unterschied, den man im Hinterkopf behalten sollte: Der Hund ist sich schneefreien Boden für den grössten Teil des Jahres gewohnt, eine Wanderung auf Schnee ist also ein ungewohntes Gefühl.
Kann ich mit dem Hund im Vorfeld der Schneewanderung üben oder trainieren?
Ja, das geht. Es ist allerdings wichtig, dass man mit seinem Hund nicht sofort drei Stunden im Schnee wandern geht. Zu beachten sind das Alter, die Gesundheit sowie die allgemeine Verfassung des Hundes. Hunde, die vier- bis fünfjährig gut unterwegs sind, zählen je nach Rasse mit acht Jahren bereits zu den Senioren und können nicht mehr unbedingt im selben Tempo oder auf denselben Strecken mithalten.
Üben kann man winterwandern schon. Wenn der Hund Schnee schon gerne mag, ist es aber gar nicht nötig. Wichtiger zu beachten sind die Strecke und Dauer. Grundsätzlich würde ich sagen, sollte man Maximum anderthalb bis zwei Stunden in der Kälte unterwegs sein.
Ab welchem Alter kann ich mit dem Hund in den Schnee?
Allgemein bin ich kein Fan von langen Winterwanderungen für junge Hunde, denn sie sind leicht überfordert. Sie zeigen im Alltag oftmals Verhaltensprobleme oder sogar körperliche Beschwerden. Sie sind zum Beispiel überdreht, kommen nicht zur Ruhe oder haben schon sehr früh Gelenkprobleme. Die Leute führen dies meist nicht darauf zurück, dass sie den Hund schon mit ein bis zwei Jahren vielleicht zu früh auf eine lange Wanderung mitgenommen haben.
Wie kalt ist für einen Hund zu kalt?
Hier kommt es wieder auf den Hund an: Habe ich einen nordischen Hund, wie Husky, Akita, Malamut, oder einen anderen mit viel Unterwolle? Bei solchen Hunden geht es deutlich länger, bis sie frieren. Die legen sich für eine Pause auch mal gerne in den Schnee. Hunde mit kurzem Fell oder wenig Unterwolle würde ich mit einem passenden Mantel schützen, in dem sie gut gehen können und der ihre Sicht nicht einschränkt. In der Bewegung und mit Mantel frieren diese Hunde grundsätzlich nicht. Genau beobachten sollte man Kleinhunde, die nahe am Boden sind und deren Bauch schon fast den Schnee berührt sowie alle Windhunde mit sehr wenig Fell. Das sind Hunde, für die ich eine Winterwanderung nicht unbedingt empfehlen würde.
Wie merke ich, dass mein Hund zu stark friert?
Er beginnt zu zittern, möchte nicht weiter gehen oder hat am nächsten Tag gar keine Lust mehr, nach draussen zu gehen. Mit dem passenden Hund macht es richtig Spass im Schnee unterwegs zu sein, mit dem unpassenden Hund macht es niemandem Spass.
Ich muss beim Winterwandern eine Sonnenbrille anziehen. Wie ist das beim Hund, blendet der Schnee ihn eigentlich?
Schnee und Sonne können auch Hunde blenden. Manche haben Probleme damit. Wie du sagtest; Menschen haben Sonnenbrillen, Hunde normalerweise nicht. Ist man der Sonne und dem Schnee komplett ausgeliefert – ich denke hier an eine Szene auf dem Gletscher –, kann eine Hundesonnenbrille schon nötig sein. Diese gibt es im Fachhandel. Stapft man nur zwei Stunden im Tal durch den Schnee, braucht es noch keine. Schliesst der Hund die Augen und blinzelt er oft, blendet es ihn. Am Abend kann es auch Entzündungsreaktionen, wie tränende Augen geben. Schnee, Wind und Sonne haben definitiv einen Einfluss die Augen des Hundes.
Was soll ich sonst noch für den Hund mitnehmen?
- Wasser! Wenn es kalt ist, geht oft vergessen, dass der Hund Durst bekommt. Wenn er mit der Nase die Ortschaft erkundet, Witterung aufnimmt und viel Schnüffelarbeit leistet, steigt seine Körpertemperatur auch im Winter um bis zu zwei Grad, von 38 bis auf 40 Grad. Das gibt warm und macht vor allem Durst. Warmes Wasser oder auch Tee sind eine Option, wenn der Hund das mag.
- Etwas zu essen für zwischendurch oder auch etwas zu kauen für die Pausen.
- Je nach Hund macht es Sinn, auch eine Decke mitzunehmen, auf die er sich während der Pausen legen kann. Vor allem wenn er einen nackten Bauch bzw. nicht viel Unterwolle hat, ist es angenehmer, nicht direkt im Schnee liegen zu müssen.
- Da auch Pfoten Schaden nehmen können, ist es wichtig, sie genau anzuschauen. Wenn sie spröde sind, kann das für den Hund sehr schmerzhaft sein, da er ja normalerweise keine Schuhe hat. Das Erste-Hilfe-Set sollte demnach auch etwas beinhalten, um offene Pfoten einbinden zu können, oder diese «Pawz». Das sind Füsslinge, die man dem Hund anziehen kann, wenn es wirklich zu kalt ist. Vaseline an den Pfoten schützt auch etwas vor Kälte. Wenn die Umgebung gesalzen ist, müssen die Pfoten unbedingt geschützt werden. Sind sie spröde und müssen dann auf Salz gehen, ist das sehr schmerzhaft.
Gibt es sonst noch etwas, was aus deiner Sicht zu beachten ist?
Ich finde es wichtig, dass Hunde nicht überfordert werden. Ein Hund im Erwachsenenalter benötigt ca. 18 Stunden Schlaf. Wenn er diesen nicht regelmässig bekommt, sind längere Wanderungen für den Hund schwierig zu meistern. Möglichst immer, aber speziell vor einer Wanderung, sollte es also genug Schlaf geben. Dann sollte man auch zwischen den Wandertagen eine Pause geben. Wenn ich in den Schneeferien bin, lege ich nach einer Wanderung einen Ruhetag ein und gehe mit dem Hund nur zum Versäubern raus. Er soll genug Schlaf bekommen, wenn wir am nächsten Tag wieder eine Winterwanderung machen wollen. Ich bin kein Fan davon, den Hund auf vier- bis sechsstündige Wanderungen zu nehmen, da es für viele Hunde nicht nur körperlich, sondern auch psychisch zu viel ist. Eine Wanderung bedeutet für den Hund eben auch viel Kopfarbeit. Ich weiss, dass viele Leute gerne ganz lange Wanderungen mit ihrem Hund machen. Erfahrungsgemäss stimmt das für die wenigsten Haushunde. Natürlich gibt es Ausnahmen; diejenigen, die immer schon auf Wanderungen mitgingen und gerne lange Strecken machen. Aber für normale Haushunde, wie Labrador oder Golden Retriever, die das Jahr durch nur «normale» Spaziergänge machen, sind lange Schneewanderungen oftmals zu viel. Überforderung mit der Situation äussert sich häufig an überdrehten Hunden, die z.B. an der Leine ziehen, in die Leine beissen oder nicht weitergehen wollen oder können. Beim Wandern gilt also: den Fokus auf den Hund legen, die Pausen wirklich machen. Und zwischen Wandertagen auch Pausen einlegen. Hunde sind keine Langstreckenläufer. Das geht oft vergessen.
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