Familienwandern ab vom Weg
Der Weg unserer letzten Winterwanderung hatte viele Spitzkehren. Und ging nur immer schön bergab. Ideal für eine Familienwanderung: Die Erwachsenen wandern gemütlich und mit wenig Gefälle, die Kinder verlassen den Weg kurzzeitig und kürzen ab. Da spielt auch das immer garstigere Wetter keine Rolle mehr.
Altjahreswoche, erster Sonnentag seit Weihnachten in Adelboden. Wie erwartet sind alle auf den Beinen, endlich können wir raus und rauf auf die Berge. Entsprechend lange ist die Schlange vor dem Billetschalter der Tschentenalp. Als ob der Ansturm nicht voraussehbar wäre, haben die Betreiber nur einen Schalter geöffnet. Die Kinder sind geduldig, ich höre den anderen Wartenden dankbar und still beim Lästern zu. Endlich steigen wir dann ein in die Gondel, alle durchfroren, denn die Sonne hat sich bereits wieder ein bisschen verzogen.
Also rein ins Restaurant der Bergstation, egal dass dort alle anderen auch sind. Wir wärmen unsere kalten Füsse und trinken die heisse Schoggi schon jetzt. Sie wäre eigentlich erst als Ziel der Wanderung gedacht gewesen. Ob die Wanderung überhaupt stattfindet, ist sowieso unklar.
Eindrücklicher Rückzieher
Es ist 13 Uhr und wir treten vors Restaurant, wandern los. Die Sonne hat sich unterdessen ganz verabschiedet. Und nach wenigen Metern begrüsst uns ein stürmischer Schneewind, peitscht uns in die Gesichter. Der kleine Lichterprinz hat keine Freude, quengelt in der Rucksacktrage und will aufs Bähnli zurück ins Tal. Auch die Zauberfee wirkt wenig motiviert, sodass ich unsere Unternehmung innerlich bereits absage. Eine kleine Umfrage unter den Kindern bestätigt mehrheitlich die Rückkehr. Jetzt mault der Zwergenkönig laut und setzt sich widerwillig ab Richtung Seilbahn. Dann beeindruckt mich meine Tochter – sie erfreut mein Outdoorherz ganz unverhofft. Flugs dreht sie sich um, bestellt ihren älteren Bruder zurück. Jetzt muss auch der Kleine hinter mir mitmachen. Ich montiere ihm die Kapuze und die Sonnenbrille als Schutz, dazu dränge ich ihm den Nuggi auf – im Wissen, dass mein Ego soeben sämtliche pädagogischen Vorsätze über Bord wirft. Mein Bruch mit den Gewohnheiten freut ihn nur bedingt, dock er schluckt den Entscheid nuckelnd.
Johlend Abkürzen
Zugegeben, die ersten Meter sind wirklich nicht lustig. Dann kehrt der Weg um 180 Grad, der Wind kommt nun von hinten, das fühlt sich schon besser an. Die beiden grossen Kinder rennen jeweils einige Meter, werfen sich auf die Knie und rutschen weiter. Wir kommen gut voran. Dann sehen wir weiter unten den Weg, wie er nach einer Spitzkehre wieder in unsere Richtung verläuft. Die Kinder verlassen den Weg, kürzen ab durch den hüfttiefen Schnee, den steilen Hang hinab, stapfend, stolpernd, rutschend und rollend, johlend. So verläuft diese Wanderung rassig, niemand hat kalt, der kleine Lichterprinz sitzt dick eingepackt hinter mir und kommentiert unterdessen freudig die Aktionen seiner Geschwister.
Zwanzig Spitzkehren
Wir vernichten Höhenmeter um Höhenmeter, nicht ganz 500 Meter sind es, rund zwanzig Spitzkehren macht der Weg. Die Kinder gleichen immer mehr Schneemännern, und klopfen sie mal den Schnee von den Kleidern, sorgt ein Windstoss dafür, dass erneut Schnee von den Ästen auf sie herunterfällt. Abwechselnd ziehe ich Hosenbeine über die Schuhe, Handschuhe über die Ärmel und leere schneegefüllte Kapuzen. Und bin ganz glücklich.
Der Lichterprinz hinter mir schläft unterdessen selig, trotz kalter Schneeflocken im Gesicht. Und die beiden Grossen würden ohne zu zögern noch ein zweites Mal die Gondel besteigen und die Wanderung wiederholen, läge die Talstation in der Nähe. Ich muss die beiden fast etwas drängen, in der Schermtanne einzukehren, um im Warmen auf den Bus zu warten. In dieser Minute erwacht der Lichterprinz und verlangt verschlafen eine Glace. Selbstverständlich geben wir nach und schliessen uns – etwas später in der warmen Gaststube – seiner Idee an.
PS: Die Winterwanderung hat den Kindern so gut gefallen, dass wir zwei Tage später nochmals denselben Weg machten. Bei mehr Wetterglück:
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